Geologie der Schweiz

Serpentin, Marmor und Gips - Ozeanboden im Oberhalbstein

Murmeltiere am Weg hinauf zur Forcelina
Murmeltiere am Weg hinauf zur Forcelina

Im hintersten Averstal gelangt man nach langer Anfahrt nach Juf. Auf über 2000 m gelegen ist es die höchste ganzjährig  bewohnte Ansiedlung der Schweiz. Das Tal öffnet sich weit und man könnte von hier in einer Tageswanderung zum Septimerpass und weiter ins Bergell oder nach Maloja wandern. Dabei ergeben sich immer wieder herrliche Aussichten auf die weite, offene Berglandschaft und natürlich auch auf eine äusserst abwechslungsreiche Geologie. Ganz besonders fallen die dunkelgrünen Serpentingesteine mit eingeschlossenen Marmorlinsen und die weissen Malmkalke auf. Bei den beiden im folgenden vorgestellten Wanderungen scheint der Prozess der millionen Jahre dauernden Alpenfaltung beinahe greiffbar zu sein.


Tour 1: Hinauf zum Ozeanboden - von Juf zum Septimerpass

Ganz am Ende der Welt liegt Juf. Umgeben von grünen Wiesen, ragen Berspitzen aus unterschiedlichsten Gesteinen empor. Oberhalb von Juf erhebt sich das dunkle Massiv des Piz Platta und weiter talauswärts erkennt man den hellen Gipfel des Weissbergs.

Bei einer Wanderung hinauf zur Forcelina gelangt man immer weiter hinein in die charakteristischen dunkelgrünen Serpentingesteine der Platta Decke.

Serpentin, Avers
Serpentingesteine auf dem Weg zur Forcellina

Ursprünglich bildeten diese Gesteine Teile der ozeanischen Kruste, die von 200 - 98 Millionen Jahren den Boden des "Urmittelmeers" Thetys formten. Durch heisse hydrothermale Lösungen wurden einige zu Serpentingesteinen umgewandelt. Auch die darin auftretenden vereinzelten Mamrorlinsen entstanden bei der Serpentinisierung.

Bilck nach Juf
Blick hinunter nach Juf. Rechts darüber erhebt sich der Piz Platta und dahinter ist der helle Gipfel des Weissbergs zu erkennen.

Aus: Marthaler, M. 2002. Das Matterhorn aus Afrika. Ott Verlag, Bern

Wie schon die vielfältigen Gesteine vermuten lassen, ist die Geologie der Region durch die Auffaltung der Alpen sehr komplex geworden. Innerhalb des sich öffnenden Ozeanbeckens zwischen Europa und Afrika lagen noch einzelne Reste kontinentaler Kruste (rosa). So z. B. auch das Brianconnais. Beidseits der Brianconnais-Schwelle lagerten sich Meeresssedimente auf der ozeanischen Kruste ab (s. nebenstehende Abbildungen 1 und2).


Als sich die Thetys wieder zu schliessen begann wurden die Sedimente zusammen mit Spänen der ozeanischen Kruste und Teilen des kristallinen Sockels zusammengeschoben, so dass sie als kilometermächtige, nach Süden einfallende Gesteinsdecken übereinander zu liegen kamen (s. nebenstehende Abbildungen 3+4).


Interessanterweise fand im weiteren Verlauf des Tertiärs ein verstärkter Zusammenschub des Deckenstapels durch den nach Norden drückenden Adriatischen Sporn statt (s. untenstehende Abbildung). Der Deckenstapel wurde im Süden verformt und steil gestellt.

Profil östliche Zentralalpen
Profil durch die östlichen Zentralalpen nach Schmid et al. (1996)

aus "Geologie der Alpen", Prof. Dr. Nikolaus Froitzheim, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Steinmann Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie
aus "Geologie der Alpen", Prof. Dr. Nikolaus Froitzheim, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Steinmann Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie

Bei der Wanderung hinauf zur Forcellina hat man immer wieder herrliche Ausblicke auf den komplexen Kontakt zwischen der Platta Decke (Pl) und die Averser Bündnerschiefer (Av), welche durch die hellen Gesteine der Turba Mylonitzone (Tm) getrennt sind.

 

Je weiter man hinauf zur Forcelina gelangt desto auffälliger werden die Serpentinite der Platta Decke. Sie umfasst Ophiolithe des Piemont-Ligurischen Ozeans mit Serpentinit, ozeanischem Gabbro (ca. 161 Ma), Kissenbasalt  und einer Sedimentbedeckung aus Radiolarit, Kalk, kreidezeitlichen Schiefern. 


Die Wanderung von Juf zum Septimerpass (Distanz: 5.5 km, Höhendifferenz, ca. 600m) führt mitten hinein in die ehemaligen Ozeanbodengesteine der Platta Decke.
Die Wanderung von Juf zum Septimerpass (Distanz: 5.5 km, Höhendifferenz, ca. 600m) führt mitten hinein in die ehemaligen Ozeanbodengesteine der Platta Decke.

Tour 2 - Einmal rund um den Wissberg

Geologie Weissberg
Beim Wissberg trift man auf Bündnerschiefer, Kalke, Gips und Ophiolithe (Abbildung aus aus "Geologie der Alpen", Prof. Dr. Nikolaus Froitzheim, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Steinmann Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie)

Eine besonders interessante Wanderung ist die Umrundung des Wissbergs von Cresta aus. Da dies eine sehr lange Rundtour ist, sollte man sich genügend Zeit nehmen. Dafür trifft man in den abgelegenen Hochtälern auf eine aussergewöhnliche Geologie und natürlich auch eine wunderschöne Landschaft.

 

Zu Beginn steigt man im Tälli durch die stark verformten Tonschiefer der Averser Decke (Av) auf. Doch schon bald zeigen sich die ersten grossen, weissen Sturzblöcke des Wissbergs (Sc). Die karbonatdominierten Sedimente können vereinfacht als Malmkalke betrachtet werden und gehören zu den Schamser Decken, welche vor rund 35 Millionen Jahren über die tiefer liegenden Averser Bündnerschiefer zurückgefaltet wurden. Sie stammen ursprünglich von der Nordseite der Briaconnais Schwelle (vgl. Tour 1 weiter oben).


Aufstieg zur Tällifurgga

Aufstieg zur Tällifurgga. Links sind deutlich die weissen Malmkalke des Wissbergs zu erkennen. Sie grenzen mit einem deutlichen Farbunterschied an die turbiditreichen Sedimente des Arblatsch Flyschs. Dazwischen sind beim weiteren Aufstieg bereits Dolinen und Kuppen des Gipses der Gelbhorn Decke unter dem Hangschutt erkennbar.

Abstieg Tällifurgga

Von der Tällifurgga aus geht es steil hinab über die für die Alpen ungewohnten Gipsaufschlüsse. Der Gips steigt heute noch auf, möglicherweise aufgrund plastischen Fliessens unter Belastung durch höhere Einheiten (Plattagruppe) und Hydrierung von Anhydrit in der Tiefe, und bildet domartige Gebilde in den Schutthalden nördlich der Tälifurka.


Gipsaufschlüsse auf der Nordsite der Tällifurgga
Gipsaufschlüsse auf der Nordsite der Tällifurgga
Der Wissberg von Norden aus gesehen. Die bunten Halden aus Hangschutt zeugen vom komplexen geologischen Aufbau der eingeschuppten Karbonat-Decke.
Der Wissberg von Norden aus gesehen. Die bunten Halden aus Hangschutt zeugen vom komplexen geologischen Aufbau der eingeschuppten Karbonat-Decke.

Wanderung Wissberg

Von Cresta aus geht es das Tälli hinauf zur Tällifurgga. Beim Abstieg ins oberste Val Gronda läuft man direkt auf den Gipsaufschlüssen, welche den Wissberg im Osten begrenzen.  Auf dem Weg hinauf zur Fuorcla Starlera und dann zur Alp Starlera sieht man das imposante Massiv des Wissbergs von seiner steilen Seite. Von der Alp Starlera aus muss man nochmals die Zähne zusammenbeissen und die nächsten 500 Höhenmeter hinauf zum Guggernüll erklimmen. Der Rest des Weges zieht sich entlang der Wiesen auf der Westseite des Wissbergs bis zurück zum Ausgangspunkt (Distanz insgesamt: 18 km, Gesamtaufstieg rund 1600 Höhenmeter)

Geologische Karte der Wissberg Region - Zur Vergrösserung bitte anklicken.

Quelle: "Geologie der Schamser Decken zwischen Avers und Oberhalbstein (Graubünden)", Kruysse, Henri A.C., Eclogae Geologicae Helvetiae, Band (Jahr): 60 (1967), Heft 1

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Von der Wolfsschlucht zum Bärenloch

Die kurze aber sehr abwechslungsreiche Wanderung in den Solothurner Jura  führt durch tiefe Schluchten, entlang von Trockenhängen zu gewaltigen Karsthöhlen, auf aussichtsreiche Jurahöhen und entlang einer einst kilometerlangen Trockenmauer, die sogar einmal die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich war.

Wolfsschlucht
Eingang zur Wolfsschlucht

Tiefer hinein in den Jura

Die kalkigen Höhenzüge des Juras begrenzen das Schweizer Mittelland wie ein in Falten geworfenes Leintuch. Steil erheben sich die Kalkschichten aus der dicht besiedelten Ebene des Mittellandes. Nur wenige Durchbrüche erlauben es einfach tiefer hinein zu gelangen. Bei Oensingen durchbricht die noch relativ breite Klus die erste Faltenkette des Juras. Man durchquert die verfalteten und zerbrochenen Malmkalke der Weissensteinkette und gelangt nach Balsthal. Von hier aus geht es im enger werdenden Thal nach Westen, bis sich zwischen Herbetswil und Welschenrohr der enge Eingang der Wolfsschlucht zeigt.

 

Auf den ersten Blick scheint es unmöglich, dass hier ein Weg hinauf führen soll. Doch schon bald taucht man in ein für den Jura untypisches feuchtes Klima ein und steigt hinauf durch Farn und lichten Buchenwald.

 

Übersichtskarte Solothurner Jura
Übersichtskarte mit eingezeichneten Gebirgskämmen. Gut ist der Einschnitt der Wolfsschlucht zwischen Herbetswil und Welschenrohr erkennbar (1).


Von Höhlen und Harnischen

Der Weg durch die Wolfsschlucht durchquert eine kleine Faltenstruktur des Solothurner Juras - die Brandberg-Antiklinale. Eine komplizierte Faltenstruktur, welche mit zahlreichen Überschiebungen durchsetzt ist. Klüfte und Rutschharnisse zeugen von den vielfältigen Bewegungen in diesem Bereich des Faltenjuras.

 

Beidseitig erheben sich die über 100 m hohen Felswände der Schlucht. An einigen Orten kann man weit oben noch Erosionsspuren des Wassers ausmachen: Hinweise auf vergangene Talsohlen der Wolfsschlucht.

 

Unzählige kleine Löcher und Öffnungen sowie einige grössere Hohlräume lassen erkennen, dass sich in den Kalken ein ausgedehntes Karstsystem befindet. Die bekannteste zugängliche Höhle in der Region ist das Nidlenloch auf dem Weissenstein mit einer Gesamtlänge von 7.5 km. Im Verlaufe der Wanderung erhält man beim Bärenloch einen hervorragenden Eindruck, wie gewaltig die Karsterscheinungen hier werden können.


Falten, Solothurner Jura
Geologisches Profil durch die Weissenstein-, Brandberg-, Graitery-Farisberg Antiklinalen (1)

Rutschharnisch, Wolfsschlucht
Rutschharnisch auf einer Kluftfäche in der Wolfsschlucht

Wolfsschlucht, Welschenrohr
Letzte Engstelle der Wolfsschlucht

Weiter hinauf ans Licht

Nachdem sich die Schlucht etwas aufgeweitet und der Weg entlang des Westhangs an Höhe gewonnen hat, rücken die Felsen unvermutet noch einmal nah zusammen.  Hier zwischen den engen Felswänden kann man sich nochmals gut die Dynamik der Entstehung des Juras vorstellen:


Der Jura  ist geologisch gesehen relativ jung. Die Kalke entstanden zwar bereits vor über 150 Millionen Jahren. Doch erst gegen Ende der Alpenfaltung vor 5-7 Millionen Jahren wurden die mesozoischen Sedimente gehoben und verfaltet. Ursache war ein Vorrücken des kristallinen Grundgebirgssockels unter das Aarmassiv. Die darauf liegenden Schichten wurden abgeschert und 20 - 30 km nach NW verschoben. Der Hauptabscherhorizont befindet sich in den Evaporitabfolgen der Anhydritgruppe und untergeordnet z. B. auch im untersten Keuper.


Nach der Engstelle biegt der Weg nach Westen ab und steigt über Baumstämme und moosige Felsen zu einer Fahrstrasse hinauf an.


Von den sonnigen Trockenhängen zum Bärenloch

Nach dem feuchten Klima und den eng zusammenstehenden Felswänden der Wolfsschlucht hat man nun plötzlich eine herrliche Aussicht über das darunterliegende Tal und auf die Weissensteinkette. Je weiter man nun den Weg zur Bärenhöhle folgt, desto trockener werden die Hänge.

 

Über einen aufwärts führenden steilen Pfad gelangt man zur Bärenloch. Nach etwa 15 Minuten Aufstieg geht der Weg flacher nach links weiter. Hier gelangt man zur gewaltigen Felsenkathedrale des grossen Bärenlochs. Zweigt man nach recht auf den weniger ausgetretenen Weg ab, gelangt man zu einer weiteren etwas kleineren Höhle.

Beides sind ehemalige Karsthöhlen, bei denen das Dach teilweise einstürzte und die sich nun exponiert in der steilen Felswand befinden.

Brandberg, Welschenrohr
Aussicht auf den Südschenkel der Brandberg Antiklinalen mit dem gut erkennbaren schwarzen Eingangsportal der Bärenhöhle.

Grosses Bärenloch, Welschenrohr
Aussicht vom Grossen Bärenloch.

Mittagsrast im Bärenloch

Das Bärenloch ist keine Höhle im eigentlichen Sinn - mehr ein riesiger Höhleneingang mit beinahe filigran durchbrochener Decke. Auf den Felsen oder der kleinen Holzbank lässt sich hier hervorragend Mittagspause machen und die Aussicht auf das Örtchen Welschenrohr geniessen.

 

Berühmt ist das Bärenloch auch wegen des Malers Caspar Wolf, der Mitte des 18 Jh. das kleine Bärenloch - ein wenig ausgeschmückt - in einem Gemälde festhielt:

kleines Bärenloch, Welschenrohr
Caspar Wolfs Bild vom Kleinen Bärenloch: «Eine Hölle bei Welschen Rohr im Canton Solothurn. Hinauf» (2)


Aussicht über den Faltenjura

Entlang einer Fahrstrasse gelangt man durch eine weitere enge Schlucht in ein verstecktes kleines Tälchen - dem Harzer Graben. Von Hier führt der Weg weiter durch Wald und über eine steile Wiese hinauf zum Harzer Hof. Auf dem Kamm angelangt eröffnet sich ein herrlicher Blick über die weiter nördlich liegenden Juraketten.

Geologie Solothurner Jura
Geologische Karte (1). Auffallend ist die aufgebrochene Faltenstruktur der Graitery-Farisberg Kette. Ein Ring von Malmkalk umgibt die mergeligen, weicheren Effinger Schichten und schliesslich einen Kern aus älterem Kalken aus dem Dogger.

Jurahöhen, Probstenberg
Blick vom Harzer nach NE auf die Faltenscheitel und -Täler des Faltenjuras.

Trockenmauer, Probstenberg
DIe liebevoll restaurierte Trockenmauer bildete einst sogar die Landesgrenze.

Trockenmauern und alte Grenzen

Eine alte Trockenmauer mit einer Länge von mehreren Kilometern bildet hier die Grenze zwischen Bern und Solothurn. Sie trennt bereits seit dem Jahr 744 politisch unterschiedliche Regionen und bildete 1798 für einige Jahre sogar die Landesgrenze zwischen der Helvetischen Republik und dem Département du Mont Terrible (Frankreich) - seit 1815 steht sie auf der Kantonsgrenze Bern-Solothurn.

Der Naturpark Thal hat von 2009 bis 2013 die Trockenmauer auf dem Probstenberg restauriert. Die im Zerfall begriffene Mauer wurde auf einer Länge von insgesamt 490 Metern neu aufgebaut (3)!

 

Vor dem teilweise weglosen Abstieg über eine Alpwiese und durch ein kleines Waldstück hinunter zur Fahrstrasse lohnt sich eine Einkehr im heimeligen Hinteren Brandberg.

Viel Spass beim Wandern und selbst entdecken!



Fakten zur Wanderung

Anfahrt: Postauto bis Haltestelle Wolfsschlucht oder mit PKW: Parkplatz gerade beim Forstweg an der Postautohaltestelle (47.28306 / 7.55516).

Länge: ca. 10 km und total ca. 800 Höhenmeter Aufstieg.

Bährenhöhle: Abzweigung Wanderweg bei 47.28811 / 7.53230. Vorsicht: Der Weg ist nur trittsicheren Wanderern zu empfehlen. Für kleine Kinder ungeeignet - ausser man sichert diese.

Essen / Trinken: Bergrestaurant Hinterer Brandberg - kleine gemütliche Bergbeiz: Tel.: 032 639 11 91

Wanderung Wolfsschlucht - Bärenhöhle

Literatur / Links

1) Besten Dank an Thilo Herold für die Abbildungen aus seiner Dissertation: "Räumliche Beziehungen der Karstsysteme zu den tektonisch geologischen Strukturen im Gebiet der Weissenstein- und Farisbergantiklinale", ETH Zürich, 1997

2) "Caspar Wolf - Pionier der Alpenmalerei", Basellandschaftliche Zeitung vom 17.4.2014

3) Restaurierung Trockenmauer Probstenberg 2009-2013


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